Nießbrauch und Wohnrecht: Die Vor- und Nachteile
Mit unserer alternden Gesellschaft gewinnen das Nießbrauch- und Wohnrecht immer mehr an Bedeutung und Beliebtheit. So attraktiv die Vorstellung klingt, das Kapital aus der eigenen Immobilie zu Lebzeiten rauszuholen, ohne das Eigenheim verlassen zu müssen, ist es wichtig, einen Blick auf beide Seiten der Medaille zu werfen. Denn das Nießbrauchrecht und Wohnrecht bringen sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich. Bei der Betrachtung ist es wichtig, zwischen den Interessen und Erwartungen des Nießbrauchers bzw. der wohnberechtigten Person und dem Eigentümer der belasteten Immobilie zu unterscheiden. Wir haben im Folgenden zentrale Vorteile und Nachteile von Nießbrauch und Wohnrecht unter Berücksichtigung von möglichen Konfliktthemen zusammengefasst.
1. Vorteile für den Nießbraucher oder Wohnrechtsberechtigten
a) Nutzungsrecht bis ans Lebensende
Einer der vielleicht wichtigsten Vorteile bei Nießbrauch und lebenslangem Wohnrecht ist, dass der Nießbraucher oder der Wohnberechtigte die Immobilie sein restliches Leben lang nutzen darf, ohne der Eigentümer der Immobilie zu sein. Dieser Aspekt ist gewaltig, denn er ermöglicht eine persönliche Nutzung der Immobilie (Nießbrauch und Wohnrecht) oder alternativ auch eine wirtschaftliche Nutzung wie zum Beispiel Vermietung des betroffenen Hauses oder der Wohnung (nur Nießbrauch). Somit ist der Nießbraucher bzw. der Wohnberechtigte nicht mehr mit eigenem Geld in der Immobilie investiert, kann diese aber weiterhin (fast) wie der eigentliche Eigentümer nutzen.
b) Langfristige Planung und Sicherheit
Ein weiterer Vorteil ist die große Sicherheit und Planbarkeit für den Nießbraucher bzw. den Wohnberechtigten, die Nießbrauch und Wohnrecht mit sich bringen. Gerade ältere Menschen brauchen häufig eine vertraute Wohnumgebung, um sich sicher und wohl zu fühlen. Mit einem eingetragenen Nießbrauch- oder Wohnrecht müssen sie nicht befürchten, das Nutzungsrecht an ihrem Zuhause zu verlieren. Die vertragliche Gestaltung lässt viel Freiraum und sowohl befristete als auch unbefristete Zeiträume sind möglich. Wer sich keine Sorgen um seine zukünftige Wohnsituation machen möchte, entscheidet sich für ein unbefristetes Nießbrauchrecht oder lebenslanges Wohnrecht.
c) Mehr Liquidität im Alter
Senioren werden leider häufig von Kreditvergaben ausgeschlossen. Dabei kann es durchaus im hohen Alter vorkommen, dass Bedarf an Kapital besteht – sei es für Renovierungen im Eigenheim, Reisen und Freizeit, Unterstützung der Kinder oder auch die eigene Pflege. Ein eindeutiger Vorteil bei Nießbrauch und Wohnrecht ist, dass man das in die eigene Immobilie investierte Geld rausholen kann, ohne auf das Wohnen in dieser Immobilie verzichten zu müssen. Dieses Kapital, das im Haus oder in der Wohnung schlummert, stellt nicht selten das Hauptvermögen von Senioren dar. Wenn also die Bank einen Kreditantrag ablehnt, kann der Verkauf der eigenen Immobilie mit notariell gesichertem Nießbrauch- oder Wohnrecht eine sinnvolle Alternative sein.
2. Vorteile für den Eigentümer der Immobilie
a) Steuerersparnisse
Für den neuen Eigentümer der Immobile können Nießbrauch und Wohnrecht spannendes Steuersparpotential bedeuten. Gerade bei Schenkungen oder Vererben kommen diese beiden Modelle deshalb häufig ins Spiel. Der Wert des Nießbrauchs oder Wohnrechts mindert nämlich den Wert der Immobilie, d.h. der Schenkungsbetrag oder Höhe des Erben ist automatisch geringer. Dies kann zu einer niedrigeren Schenkungs- bzw. Erbschaftssteuerbelastung führen, weshalb lebenslanges Wohnrecht und Nießbrauch beliebte Modelle in familiären Konstellationen sind.
b) Rechtzeitig geregeltes Erbe
Lebenslanges Wohnrecht und Nießbrauch geben Senioren außerdem die Möglichkeit, ihr Erbe rechtzeitig zu Lebzeiten zu regeln. Wenn beispielsweise der Familiensitz von den Eltern selbst auf ihre Kinder übertragen wird und die Eltern erst einmal mit einem Wohnrecht die Immobilie weiterhin bewohnen, können familiäre Konflikte und Erbstreitigkeiten häufig komplett vermieden werden.
3. Nachteile für den Nießbraucher oder Wohnrechtsberechtigten
a) Nießbraucher ist nicht mehr der Eigentümer der Immobilie
Hat man sich einmal für die Veräußerung oder Schenkung seiner Immobilie mit Nießbrauch oder lebenslangem Wohnrecht entschieden, sollte es einem bewusst sein, dass man im nächsten Schritt sämtliche Eigentumsrechte an seiner Immobilie abgibt. Auch wenn man weiterhin über ein umfassendes Nutzungsrecht verfügt, gehen viele wichtige Entscheidungen an den neuen Eigentümer und Nießbrauchgeber über. Der Nießbraucher selbst kann die Immobilie nicht mehr veräußern oder verrenten. Auch Themen wie Modernisierung oder Sanierung liegen nun beim neuen Eigentümer, was ein klarer Nachteil sein kann.
b) Beleihung der Immobilie kaum möglich
Es sollte auch beachtet werden, dass der Schenkende bzw. der Verkäufer der Immobilie mit Nießbrauch oder Wohnrecht die Möglichkeit verlieht, in Zukunft die Immobilie zu beleihen. Da der Nießbraucher bzw. der Wohnberechtigte nur “noch” der Nutzer und nicht mehr der Eigentümer der Immobilie ist, kann er die Immobilie nicht mehr als Sicherheit für Kreditinstitute anbieten.
4. Nachteile für den Eigentümer der Immobilie
a) Keine Nutzung der eigenen Immobilie
Einer der Nachteile von Nießbrauch und Wohnrecht liegt darin, dass der Eigentümer der belasteten Immobilie während der Dauer des Nießbrauchs nur begrenzte Handlungsmöglichkeiten hat. Die Verfügung über die Immobilie ist in dieser Zeit stark eingeschränkt, so dass der Eigentümer hinnehmen muss, dass er erst nach der Beendigung des Nießbrauchs seine Immobilie aktiv nutzen kann – ganz gleich, ob es um Eigennutzung oder Vermietung geht. In gewissem Sinne könnte man also sagen, dass es sich hierbei um eine Verzögerung der vollständigen Übertragung des Erbes handelt.
b) Immobilienwert sinkt
Nießbrauch und Wohnrecht verringern den Immobilienwert. Bei Schenkungen oder Vererben vermag dies in vielen Fällen einen finanziellen Vorteil haben, weil Steuern gespart werden können. Anders sieht es allerdings aus, wenn der Eigentümer die Immobilie mit Nießbrauch veräußern möchte. Beim Verkauf muss davon ausgegangen werden, dass ein niedrigerer Kaufpreis im Vergleich zum Marktwert der Immobilie ohne Nießbrauch erzielt werden kann. Auch die Anzahl der potenziellen Käufer wird vermutlich kleiner als bei normalen Immobilienverkäufen sein.
5. Mögliches Konfliktpotenzial
Ein Immobilienverkauf oder -schenkung mit Nießbrauchrecht ist keinweswegs wie eine klassische Immobilienveräußerung. Während man bei einem normalen Verkauf die Verkaufskonditionen verhandelt, einen Vertrag aufsetzt und notariell beglaubigen lässt, um sich am Ende bei der Schlüsselübergabe endgültig zu verabschieden, besteht zwischen dem Nießbraucher und Nießbraucher oftmals ein jahrelanges Vertragsverhältnis. Schließlich kann es vorkommen, dass der Nießbraucher bzw. der Wohnberechtigte über mehrere Jahrzehnte die Immobilie des Eigentümers nutzt. Aus diesem Grund sollte den Vertragsparteien klar sein, dass ein gutes Miteinander und klar definierte Regeln abgestrebt werden sollten.
5.1 Nutzung und Instandhaltung
Uneinigkeiten können entstehen, wenn es um die Nutzung und die Pflicht zur Instandhaltung der Immobilie geht. Einerseits verfügt der Nießbraucher über ein umfassendes Nutzungsrecht und darf somit die Immobilie nutzen wie er möchte, wobei das deutsche Gesetz durchaus eine Pflicht zur Instandhaltung beim Nießbraucher vorsieht. Andererseits muss der Eigentümer sich damit abfinden, dass er nur wenig Kontrolle darüber hat, wie mit seiner Immobilie umgegangen wird. Jedenfalls wird es im Interesse des Eigentümer liegen, dass er seine Immobilie eines Tages in einem möglichst guten Zustand überreicht bekommt. Wegen der Nutzung und Instandhaltung können somit einige Konflikte entstehen. Welche Maßnahmen werden als notwendig angesehen? Wer soll die Kosten für die Instandhaltung tragen? Auch wenn das Gesetz einen Rahmen vorgibt, liegt der Teufel bekanntlich im Detail und das Thema Instandhaltung sollte im Vorfeld ausführlich besprochen und entsprechende Vereinbarung getroffen werden.
5.2 Verkauf oder Vermietung
Der Eigentümer darf die Immobilie mit Nießbrauch oder Wohnrecht jederzeit verkaufen. Hierbei hat der Nießbraucher kein Mitspracherecht, sein Nutzungsrecht läuft jedoch im Falle eines Verkaufs unverändert weiter. Eine Vermietung der Immobilie durch den Eigentümer ist nicht möglich, nur der Nießbraucher verfügt über das Recht, die Immobilie selbst zu bewohnen, anderen zu überlassen oder zu vermieten.
5.3 Erwartete Nutzungsdauer
Wenn der Nießbraucher oder Wohnrechtsberechtigte länger lebt als erwartet, kann dies zu einer längeren Einschränkung der Verfügungsmöglichkeiten führen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass dies zur Unzufriedenheit und Spannungen zwischen dem Nießbraucher und dem Eigentümer der Immobilie führen kann.
6. Sorgfältige Planung ist alles
Wie oben beschrieben können Nießbrauch und Wohnrecht sowohl Vor- als auch Nachteile für die Beteiligten bedeuten. Einerseits bieten sie Sicherheit, Planungsspielraum und Liquidität für die berechtigte Person. Andererseits führen sie zum Steuersparpotential sowie zu eingeschränkten Verfügungsmöglichkeiten für den Eigentümer, was potenziell zu Konflikten führen kann. Eine sorgfältige Planung, klare Regelungen im Kaufvertrag oder Testament und professionelle Beratung sind essentiell, um die Interessen aller Beteiligten ausreichend zu berücksichtigen und rechtliche sowie steuerliche Fallstricke zu vermeiden.
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