Nießbrauch und Wertminderung des Nachlasses
Wenn eine Person stirbt, hinterlässt sie in den meisten Fällen ein größeres oder kleineres Vermögen, das Nachlass genannt wird. Der Nachlass kann beispielsweise aus einem Barvermögen, Bankguthaben, Wertpapieren oder Immobilien bestehen. Jedoch nicht nur das Vermögen des Verstorbenen, sondern auch Schulden und Forderungen gehören zum Nachlass und gehen somit auf die Erben über. Beinhaltet der Nachlass eine Immobilie, die mit einem Nießbrauch belastet ist, kann der Nachlasswert geringer ausfallen. Denn der Wert der Immobilie und somit der Nachlasswert wird um den Wert des Nießbrauchrechts verringert, da die Erben zwar die Immobilie besitzen, jedoch nicht uneingeschränkt darüber verfügen, solange das Nießbrauchrecht besteht. Ein Nießbrauch an einer Immobilie kann zudem die Erbauseinandersetzung mit Aufteilung des Nachlasses erschweren. Wir haben im Folgenden zusammengefasst, was hierbei insbesondere zu berücksichtigen ist.
1. Was ist Nießbrauch?
Das Nießbrauchsrecht ist das Recht zur Nutzung einer Sache, in der Regel einer Immobilie. Beim Erbe spielt das Nießbrauchsrecht oft eine wichtige Rolle, insbesondere wenn ein Haus oder eine Wohnung bereits zu Lebzeiten des Eigentümers an Angehörige übergeben wird. Ein Nießbrauch an Immobilien kann jedoch auch an eine nicht verwandte Person übertragen werden, etwa wenn man sein Eigentum verkauft, aber weiterhin darin wohnen möchte. An der Wohnsituation des Berechtigten, auch Nießbraucher genannt, ändert sich durch den Verkauf oder Schenkung mit einem im Grundbuch eingetragenen Nießbrauch recht wenig. Die Wohnung oder das Haus wechselt zwar den Eigentümer, aber der Nießbraucher darf die Immobilie weiterhin selbst bewohnen, an andere überlassen oder vermieten. Ein Nießbrauch kann zeitlich befristet werden oder bis zum Tod des Nießbrauchers andauern.
2. Berücksichtigung des Nießbrauchs bei Nachlasswert
Wie oben beschrieben gibt der Nießbrauch dem Nießbraucher das Recht, eine Immobilie zu nutzen und daraus auch Erträge zum Beispiel im Rahmen einer Vermietung zu ziehen, ohne jedoch die Immobilie zu besitzen. Ein Nießbrauchrecht vermindert den Wert einer Immobilie. Bei einer Erbauseinandersetzung bzw. Erbteilung, bei der unter anderem der Nachlasswert ermittelt werden muss, wird der Wert des Nießbrauchs vom Gesamtwert des Nachlasses abgezogen, bevor die genauen Erbteile berechnet werden.
2.1 Verminderung des Nachlasswertes
Der Nießbrauch kann den Wert der betroffenen Immobilie erheblich mindern. Dies liegt daran, dass der Nießbraucher das Recht auf Nutzung (Immobilie bewohnen) und Erträge (Immobilie vermieten) hat und die Erben somit nicht über die Immobilie wirtschaftlich verfügen. Diese Verminderung des Nachlasswertes kann übrigens positive steuerliche Vorteile mit sich bringen: Beim Freibetrag für Schenkungssteuer wird nicht der volle Immobilienwert betrachtet, sondern der Wert des Nießbrauchs wird abgezogen, was die steuerliche Last direkt mindert. Zur Berechnung des Nießbrauchwerts werden das Alter des Nießbrauchers sowie seine voraussichtliche Lebenserwartung berücksichtigt. Diese Berechnung basiert auf der Sterbetafel des Statistischen Bundesamts.
2.2 Erbauseinandersetzung und Pflichtteil
Der Pflichtteil ist der gesetzliche Mindestanteil am Nachlass, der den nächsten Angehörigen zusteht. Bei einer Erbauseinandersetzung wird dieser auf Grundlage des verbleibenden Nachlasswerts nach Abzug des Nießbrauchs berechnet. Hat der Verstorbene bereits zu Lebzeiten Teile seines Vermögens an Angehörige verschenkt und dadurch den Pflichtteilsanspruch verringert, steht dem Pflichtteilsberechtigten ein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung zu – hierbei spricht man von einem Pflichtteilsergänzungsanspruch. Berücksichtigt werden jedoch nur Schenkungen, die in den letzten zehn Jahren vor dem Erbfall stattgefunden haben.
2.3 Nießbrauch am Erbteil
Kommen bei der Erbteilung auch Immobilien, die mit Nießbrauch belastet sind, vor, kann es zu Unstimmigkeiten und zum Ungleichgewicht unter den Erben führen. Die Aufteilung des Nachlasses kann erschwert sein, weil die Erben nicht sofort über die Immobilien wirtschaftlich verfügen können. Etwas komplizierter kann es auch werden, wenn der Nießbraucher zugleich auch einer der Erben ist.
2.4 Praxisbeispiel Nießbrauch
Herr Roser, 75 Jahre alt, überträgt seinem Sohn ein Einfamilienhaus im Wert von 500.000 Euro und behält sich ein unbefristetes Nießbrauchsrecht vor. Das Nießbrauchsrecht von Herrn Roser wird mit einem Kapitalwert von 130.000 Euro bewertet. Der Gesamtnachlasswert beträgt also 500.000 Euro (Immobilie) – 130.000 Euro (Nießbrauch) = 370.000 Euro. Der Pflichtteil des Sohnes und anderer gesetzlicher Erben wird basierend auf diesem verminderten Nachlasswert berechnet.
3. Wertminderung des Nachlasses bei Nießbrauch
Nießbrauch kann den Nachlasswert erheblich mindern, was direkte Auswirkungen auf die Berechnung des Pflichtteils und die Verteilung des Erbes hat. Bei der Erbauseinandersetzung ist wichtig, vorhandene Rechte sorgfältig zu prüfen und zu bewerten sowie die steuerlichen und rechtlichen Auswirkungen zu verstehen – schließlich sollen unnötige Streitigkeiten unter den Erben möglichst vermieden werden. Wir empfehlen Erbgemeinschaften, eine professionelle Beratung durch einen Notar, Steuerberater oder Rechtsanwalt in Anspruch zu nehmen, um optimale und rechtssichere Bedingungen für die Erbteilung zu schaffen.
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