Wohnrecht oder Nießbrauch?
Verkäufer und potenzielle Käufer von Immobilien sollten sich mit den rechtlichen Aspekten des Wohnrechts und Nießbrauchrechts vertraut machen. Es ist essentiell, die Vor- und Nachteile sowie die Unterschiede zwischen diesen Begriffen zu verstehen, da die Wahl des Nutzungsrechts eine direkte Auswirkung auf den Verkaufsprozess und die Nutzung der Immobilie hat.
1. Unterschiede zwischen Wohnrecht und Nießbrauch
Grundsätzlich geht es sowohl beim Wohnrecht als auch beim Nießbrauch um Nutzungsrechte an einem Haus oder einer Wohnung. Der Hauptunterschied liegt darin, dass das Wohnrecht lediglich das Recht umfasst, eine Immobilie persönlich zu nutzen, während das Nießbrauchrecht zusätzlich das Recht gewährt, die Immobilie wirtschaftlich – zum Beispiel im Rahmen einer Vermietung – zu nutzen. Sowohl das Wohnrecht und als auch der Nießbrauch sind im bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt.
1.1 Lebenslanges Wohnrecht nach § 1093 BGB
“§ 1093 Wohnungsrecht: Als beschränkte persönliche Dienstbarkeit kann auch das Recht bestellt werden, ein Gebäude oder einen Teil eines Gebäudes unter Ausschluss des Eigentümers als Wohnung zu benutzen.“
Das Wohnrecht kann ausschließlich vom Berechtigten selbst ausgeübt werden, d.h. das Recht kann nicht vererbt, veräußert oder auf andere Weise auf Dritte übertragen werden. Das Wohnrecht wird durch § 1093 BGB (sog. Wohnungsrecht) geregelt, welcher der berechtigen Person(en) eine lebenslange Nutzung der gesamten Immobilie oder nur Teile der Immobilie gewährt. Ein Wohnrecht kann ausschließlich an Grundbesitz bestellt werden und wird ins Grundbuch eingetragen.
1.2 Nießbrauchsrecht nach § 1030 BGB
“§ 1030 Gesetzlicher Inhalt des Nießbrauchs an Sachen. (1) Eine Sache kann in der Weise belastet werden, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, die Nutzungen der Sache zu ziehen (Nießbrauch).“
Das Nießbrauchrecht gewährt allgemein das Recht zur Nutzung der Immobilie, einschließlich der Befugnis des Nießbrauchberechtigten, das Haus oder die Wohnung an Dritte zu vermieten, ohne die Immobilie selbst zu bewohnen. Die aus der Vermietung erzielten Einkünfte darf der Nießbrauchberechtigte behalten, die Immobilie kann er jedoch nicht verkaufen oder vererben. Genauso wie das Wohnrecht wird auch das Nießbrauchrecht ins Grundbuch eingetragen.
2. Wann Nießbrauch, wann Wohnrecht?
2.1 Schenkung zu Lebzeiten
Ob Senioren sich für das Wohnrecht oder den Nießbrauch entscheiden, hängt vor allem vom individuellen Bedarf ab. Ein lebenslanges Wohnrecht wird häufig vereinbart, wenn es um Regelungen innerhalb der Familie geht. Ein klassisches Beispiel ist die Schenkung zu Lebzeiten, die älteren Menschen ermöglicht, das Eigenheim bereits vor dem Tod den Kindern zu übertragen, aber weiterhin in den eigenen vier Wänden wohnen zu bleiben. Hierbei ist es wichtig zu beachten, dass die Senioren sich trotz Schenkung die wirtschaftliche Nutzung der Immobilie sichern lassen können, indem sie mit ihren Kindern oder Erben einen sogenannten Vorbehaltsnießbrauch vereinbaren. Somit dürfen sie die Wohnung oder das Haus auch vermieten und können mit den Mieteinnahmen beispielsweise ihren Aufenthalt im Pflegeheim finanzieren.
Alternativ kann die Immobilie mit einem lebenslangen Wohnrecht an Dritte veräußert werden, d.h. die Rentner ziehen das Kapital aus ihrer Immobilie zu Lebzeiten raus und verteilen den Erlös an die gewünschten Erben. Auch in diesem Fall bleiben die Senioren mit Wohnrecht in ihrem Eigenheim wohnen, auch wenn sie nicht mehr die Eigentümer der Immobilie sind. Bei Schenkungen sollten möglichst stets ein Steuerberater konsultiert werden, da durch das Wohn- bzw. Nießbrauchrecht wesentliches Steuersparpotential entstehen kann.
2.2 Wohnrecht für den Lebensgefährten
Wohnrecht auf Lebenszeit ist auch gut dafür geeignet, die Wohnsituation des Lebensgefährten bis zum Lebensende abzusichern. Bewohnt der Eigentümer eine Immobilie, die eines Tages – jedoch nicht von dem Tod des Lebensgefährten – von seinen Kindern geerbt werden soll, kann der Lebensgefährte durch ein im Grundbuch eingetragenes Wohnrecht bis zu seinem Lebensende abgesichert werden. Dadurch herrscht Klarheit, wann die Erben über die Immobilie verfügen werden und der Lebensgefährte muss nicht einen Auszug aus gemeinsamer Wohnung oder gemeinsamen Haus befürchten.
2.3 Wirtschaftliche Nutzung der Immobilie zu Lebzeiten
Ein Nießbrauch ist vor allem dann sinnvoll, wenn der Berechtigte die Immobilie nicht nur bewohnen, sondern auch wirtschaftlich ausnutzen möchte, beispielsweise durch Vermietung. Während ein lebenslanges Wohnrecht nur die Nutzung der Immobilie zum eigenen Wohnzweck ermöglicht, behält der Nutznießer mit Nießbrauchrecht sämtliche wirtschaftlichen Rechte an der Nutzung des Hauses oder der Wohnung für sich.
2.4 Persönliche Lebenssituation entscheidet
Die persönliche Lebenssituation ist entscheidend, wenn es um die Wahl zwischen Wohn- und Nießbrauchrecht geht. Nießbrauch bietet beispielsweise klare Vorteile, wenn der Berechtigte in eine Pflegeeinrichtung ziehen muss. Denn mit Nießbraucht darf er die Immobilie vermieten und die Mieteinnahmen selbst behalten. Diese wiederkehrenden, regelmäßigen Einkünfte können eine wesentliche Rolle bei der Finanzierung der Pflegekosten spielen. Wenn hingegen jemand mit einem Wohnrecht in ein Pflegeheim ziehen muss, wird meist davon ausgegangen, dass er sein Wohnrecht dauerhaft aufgibt. Und selbst wenn das Wohnrecht trotz des Umzugs bestehen bleibt, kann der Wohnberechtigte keinen finanziellen Vorteil daraus ziehen.
Finanziell spannend kann auch die Variante sein, dass der Nießbraucher nur einen Teil der Immobilie selbst bewohnt und den Rest vermietet. Auch in diesem Fall kann er dank Nießbrauchrecht die gesamte Immobilie wirtschaftlich nutzen und durch die Mieteinkünfte zum Beispiel die nicht selten geringe Rente aufstocken. Hat man lediglich ein Wohnrecht für die Immobilie vereinbart, dürfen Teile davon nicht vermietet werden.
3. Steuern bei Wohnrecht und Nießbrauch
3.1 Steuerbarkeit des Wohnrechts
Die Frage, ob ein Wohnrecht steuerpflichtig ist, hängt davon ab, um welche Art von Wohnrecht es sich handelt. Aus steuerlicher Sicht ist vor allem die Frage relevant, ob ein entgeltliches oder unentgeltliches Wohnrecht eingeräumt wird.
Ein entgeltliches Wohnrecht kann beispielsweise durch die Zahlung einer Miete gekennzeichnet sein. In diesem Fall entfällt die Steuerpflicht in der Regel für den Wohnberechtigten, dafür hat der Eigentümer der Immobilie seine Einnahmen zu versteuern. Das Verhältnis zwischen dem Wohnberechtigten und dem Eigentümer kann also mit einem Mietverhältnis verglichen werden.
Ein unentgeltliches Wohnrecht hingegen beinhaltet keine regelmäßigen Zahlungen seitens des Wohnberechtigten, und entsprechend hat der Eigentümer der Immobilie keine Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zu versteuern. Für den Wohnberechtigten stellt ein unentgeltliches Wohnrecht jedoch einen steuerpflichtigen Vermögenswert dar, d.h. das Wohnrecht ist in Geld bewertbar. Denn schließlich spart sich der Wohnberechtigte die Miete oder verfügt als Nießbraucher über Einnahmen aus einer Vermietung oder Verpachtung. Das Wohnrecht unterliegt nicht der Einkommenssteuer, sondern der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Die Höhe der anfallenden Steuer hängt von verschiedenen Faktoren ab.
Ein zentraler Faktor ist die Dauer, für die das Wohnrecht ausgeübt werden kann. Wenn es sich um ein lebenslanges Wohnrecht handelt, berechnet das Finanzamt die Restlebenserwartung des Wohnberechtigten basierend auf sog. Sterbetafeln des statistischen Bundesamtes. Ein zweiter relevanter Faktor für die Berechnung der Steuer ist der Kapitalwert der Immobilie. Konkret wird geprüft, was für eine fiktive Miete während der Restlebensdauer des Wohnberechtigten zu erzielen wäre. Es wird der örtliche Mietspiegel zur Hilfe gezogen und bei der Berechnung wird berücksichtigt, dass Mietzahlungen, die erst in zehn Jahren fällig werden, nicht den gleichen Wert wie aktuelle Mietzahlungen haben können. Zukünftige Mietzahlungen werden daher abgezinst, wobei die zukünftig eingesparte Miete umso geringer bewertet wird, je weiter der Zeitpunkt der Zahlung in die Zukunft verschoben wird. Das Finanzamt muss gemäß § 14 des Bewertungsgesetzes einen Zinssatz von 5,5 Prozent annehmen und anschließend den Kapitalwert des Wohnrechts berechnen.
3.2 Freibeträge im Erbschaft- und Schenkungssteuergesetz
Es können steuerliche Vorteile entstehen, wenn zwischen den Wohnberechtigten und dem Eigentümer der Immobilie eine innerfamiliäre Beziehung vorhanden ist. Es gibt nämlich attraktive Freibeträge für Schenkungen (Stand: 2024) zwischen Verwandten in gerader Linie:
Leibliche Kinder sowie Adoptiv- und Stiefkinder: 400.000 Euro
Enkelkinder (wenn Kinder des Schenkenden nicht mehr leben): 400.000 Euro
Enkelkinder (wenn Kinder des Schenkenden leben): 200.000 Euro
Urenkel: 100.000 Euro
Die Übertragung von Vermögenswerten wie einer Immobilie durch eine Schenkung zu Lebzeiten ermöglicht es grundsätzlich, den Vermögenswert frühzeitig auf die vorgesehenen Erben zu übertragen. Dies ist besonders sinnvoll, wenn der Wert des gesamten Nachlasses, einschließlich des Hauses, die Schenkungs- und Erbschaftssteuerfreibeträge der Erben übersteigt. Auf diese Weise können die Erben von der Steuerlast befreit oder zumindest entlastet werden.
Die Freibeträge und Steuersätze der Schenkungssteuer entsprechen denen der Erbschaftssteuer. Allerdings bietet eine Schenkung den Vorteil, dass die Freibeträge alle 10 Jahre erneut genutzt werden können. Im Gegensatz dazu wird bei einer Erbschaft das gesamte Erbe auf einmal übergeben und dann vollständig besteuert.
Es können von keinen steuerlichen Freibeträgen Gebrauch gemacht werden, wenn eine Immobilie mit lebenslangem Wohnrecht für den Verkäufer an Dritte ohne Verwandtschaftsgrad veräußert wird.