Nießbrauch oder Wohnrecht zur Absicherung im Alter – Fallbeispiele
Vielen Senioren, die in Erwägung ziehen, ihr Haus oder ihre Wohnung zu Lebzeiten zu veräußern, stellen sich die Frage, ob sie sich für Nießbrauch oder Wohnrecht entscheiden sollten. Beide Modelle stellen zwar sicher, dass man nach dem Verkauf die eigenen vier Wände nicht verlassen muss, doch bei einer genaueren Betrachtung kristallisieren sich auch Unterschiede heraus, die je nach persönlicher Situation der Senioren eine unterschiedliche Gewichtung bekommen können. Der grundlegende Unterschied zwischen Nießbrauch und Wohnrecht ist, dass das Wohnrecht lediglich das Recht beinhaltet, eine Immobilie entweder lebenslang oder befristet persönlich zu bewohnen, während Nießbrauch auch eine wirtschaftliche Nutzung der Immobilie zum Beispiel durch Vermietung erlaubt. Einfach gesagt: Das Wohnrecht bleibt nur solange bestehen wie die berechtigte Person die betroffene Immobilie selbst bewohnt. Bei Nießbrauch kann der Nießbraucher aus der Immobilie ausziehen und verfügt trotzdem weiterhin über die Immobilie und darf sie vermieten. Um die Unterschiede zwischen Wohnrecht und Nießbrauch genauer darzustellen, haben wir drei Fallbeispiele zusammengestellt.
Beispiel 1: Durch Nießbrauch eigene Wohnsituation absichern
Situation: Herr Müller, 75 Jahre alt und verwitwet, besitzt ein für seine Bedürfnisse viel zu großes Einfamilienhaus, das er seit dem Tod seiner Frau alleine bewohnt. Auch wenn eigentlich zu viel Wohnraum vorhanden ist, möchte Herr Müller bis zu seinem Lebensende in seiner vertrauten Umgebung bleiben. Gleichzeitig hat er jedoch auch den Wunsch, sein Vermögen, das hauptsächlich aus seiner Immobilie besteht, bereits zu Lebzeiten seinen Kindern zu übertragen.
Lösung: Nach Prüfung verschiedener Optionen entscheidet Herr Müller sich dafür, das Einfamilienhaus sofort auf seine Kinder zu übertragen und sich gleichzeitig im Grundbuch der Immobilie ein lebenslanges Nießbrauchrecht eintragen zu lassen. Somit ist sichergestellt, dass Herr Müller bis zu seinem Lebensende nicht ausziehen muss und sich trotzdem das Erbe von seinem Vermögen trennen kann. Außerdem hat er aber auch die Möglichkeit, das Haus zu vermieten und von den Mieteinnahmen zu profitieren, sollte er beispielsweise irgendwann in einem Pflegeheim unterkommen. Wichtig ist anzumerken, dass der Wert der Immobilie durch den Nießbrauch deutlich gemindert wird. Dies hat einen finanziellen Vorteil für die Kinder von Herrn Müller, da die Höhe des Schenkungsbeitrags reduziert wird. Bei Schenkungen beträgt der Freibetrag pro Kind beträgt aktuell 400.000 Euro, d.h. möglicherweise müssen die Kinder ihr Erbe gar nicht versteuern – am Ende entscheidet der Immobilienwert, der durch den Nießbrauch des Vater vermindert wird.
Ergebnis: Durch die Übertragung des Hauses auf seine Kinder und die Eintragung des Nießbrauchrechts zu seinen Gunsten hat Herr Müller sich finanziell abgesichert und er behält die Kontrolle über seine Wohnsituation bis zu seinem Lebensende. Durch die Transaktion entstehen außerdem steuerliche Vorteile für die Kinder von Herrn Müller.
Beispiel 2: Wohnrecht und Erbe
Situation: Familie Schmidt besitzt ein großes Haus mit mehreren Wohneinheiten. Eine davon wird von den Eltern, beide fast 70 Jahre alt, bewohnt. Die vier Kinder der Eheleute Schmidt sind bereits ausgezogen und besitzen eigene Wohnungen, so dass die restlichen Räumlichkeiten vor allem bei Besuchen durch die Kinder und Enkelkinder genutzt werden. Für die Kinder der Eheleute Schmidt ist es wichtig, dass ihre Eltern lebenslang in ihrem Haus wohnen bleiben können und dass sie über das ganze Haus verfügen können. Zudem wünschen die Kinde eine gut geregelte Erbauseinandersetzung – am besten noch zu Lebzeiten der Eltern.
Lösung: Die Eltern übertragen das Haus auf ihre vier Kinder und lassen für sich selbst ein lebenslanges Wohnrecht, das sich über alle Räumlichkeiten der Immobilie erstreckt, im Grundbuch eintragen. Dadurch können die Eltern in ihrem Haus weiterhin wohnen bleiben, während die Kinder schon mal formal die neuen Eigentümer der Immobilie werden. Wie im obigen Fall mit Nießbrauch mindert auch hier das Wohnrecht der Eltern den steuerpflichtigen Anteil der Kinder, was eine verringerte Erbschaftssteuerlast zur Folge hat. Gleichzeitig bleibt das Haus der ganzen Familie erhalten und familiäre Bindungen können weiterhin in den eigenen vier Wänden gepflegt werden.
Ergebnis: In diesem Fall wird ein lebenslanges Wohnrecht für die Eltern gesichert, die Immobilie bleibt als Familiensitz für die ganze Familie erhalten und die Erbschaftssteuerbelastung für die Kinder kann deutlich reduziert werden.
Beispiel 3: Kombination aus Nießbrauch und Wohnrecht
Situation: Frau Schneider, 65 Jahre alt, ist unverheiratet und besitzt eine 3-Zimmer-Wohnung. Seit 10 Jahren bewohnt sie ihre Eigentumswohnung gemeinsam mit ihrem Lebenspartner Herrn Stricker, 58 Jahre alt. Da Herr Stricker jünger als sie ist, schließt Frau Schneider nicht aus, dass Herr Stricker länger als sie leben könnte. In diesem Fall möchte Frau Schneider sicherstellen, dass die Wohnsituation von Herrn Stricker abgesichert ist und dass er bis zu seinem Lebensende in ihrer Wohnung wohnen darf. Frau Schneider hat auch zwei Kinder, die die Wohnung von ihrer Mutter erben sollen – im Optimalfall bereits zu Lebzeiten von Frau Schneider, damit die Situation mit Herrn Stricker berücksichtigt werden kann.
Lösung: Frau Schneider überträgt ihre Immobilie sofort auf ihre beiden Kinder und lässt sich selbst ein Nießbrauchrecht im Grundbuch eintragen. Zusätzlich wird ihrem Lebenspartner Herr Stricker ein lebenslanges Wohnrecht an der Immobilie eingeräumt. Dieses Wohnrecht stellt sicher, dass Herr Stricker im Falle eines Tods von Frau Schneider in der Wohnung bleiben kann, obwohl die Immobilie bereits den Kindern von Frau Schneider gehört. Durch diese Kombination von Nießbrauch und Wohnrecht kann die Eigentumswohnung steuerlich vorteilhaft auf die Kinder übertragen und die Versorgung des Lebenspartners sichergestellt werden. Die Kinder dürfen erst dann über die Wohnung verfügen, wenn Herr Stricker auszieht oder stirbt.
Ergebnis: Dieser Fallbeispiel zeigt, dass mit Nießbrauch und/oder Wohnrecht eine Versorgungssicherheit für den Lebenspartner erreicht werden kann, wobei gleichzeitig auch eine Einbeziehung der Kinder ins Erbe und steuerlich optimierte Vermögensübertragung stattfinden.
Wohnrecht oder Nießbrauch? Individuelle Einschätzung erforderlich
Die obigen Beispielsfälle zeigen, dass sowohl Nießbrauch als auch Wohnrecht vielfältige Möglichkeiten bieten, um individuelle Ziele einerseits in der Regelung der Erbschaft und andererseits in der Absicherung im Alter zu erreichen. Ganz gleich, ob es sich um die Regelung der eigenen Wohnsituation im Alter, die Erhaltung von Familienbesitz oder die Versorgung vom Lebenspartner handelt – durch gut geplante Nutzung von Nießbrauch oder Wohnrecht können sowohl steuerliche Vorteile als auch persönliche Wünsche optimal berücksichtigt werden. Eine Immobilie mit Nießbrauch oder Wohnrecht zu verkaufen oder zu vermachen ist eine große Entscheidung. Deshalb ist es auch sehr wichtig, sich vor so einer Transaktion professionell beraten zu lassen, um rechtliche und steuerliche Aspekte vollständig zu verstehen und eine für die individuelle Situation optimale Lösung zu finden.
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